22.06.-24.06.2017 - With Full Force @ Ferropolis

On: 17/07/2017

Stürmisches Debüt in der Stadt aus Eisen

3 Tage, 4 Bühnen, 5 Bagger, 82 Bands – das With Full Force Festival 2017

Jeder, der schon mal mit Sack und Pack umgezogen ist, weiß, dass die erste Nacht in der neuen Bude immer eine Mischung aus Ungewissheit und Vorfreude ist. Irgendwie hing man ja an der alten Bleibe, hatte sich über die Jahre ganz gut eingerichtet und fand den Weg vom Bett ins Bad auch volltrunken und mit geschlossenen Augen. Jetzt sucht man auf der falschen Seite der Tür nach dem Lichtschalter und stößt sich im Flur noch für Wochen den Zeh an der Garderobe an. Aber solche Startschwierigkeiten werden schnell vergessen sein, denn das neue Zuhause hat mehr Zimmer, ist quasi frisch saniert und liegt im angesagten Szeneviertel. 

 Nach 18 großartigen Jahren in Roitzschjora kann man es dem mehr als erwachsen und flügge gewordenen With Full Force sicher nicht verübeln, sich (nicht zuletzt auch wegen behördlichen Sicherheitsauflagen) in die weite Welt aufgemacht und nach einer neuen Heimstätte umgesehen zu haben. Die Wahl fiel auf die festivalerprobte und nur ca 30km entfernte Halbinsel Ferropolis nahe Gräfenhainichen. Das ehemalige Tagesbaugelände ist ein gigantisches Freilichtmuseum, wird zusätzlich als Veranstaltungsstätte genutzt und beheimatet schon seit einigen Jahren die Festivals Melt und splash!. „Mad Max“, „Big Wheel“, „Gemini“, „Medusa“ und „Mosquito“ sind dabei nicht die Headliner oder aufstrebende Nachwuchsbands, sondern die Namen der riesigen Bagger, die diese Location so einzigartig machen und ein Ambiente schaffen, dass für harten Metal quasi vorbestimmt ist. Nach einem ersten Rundgang am Donnerstag stellten wir uns daher schon die Fragen, wieso hier nicht schon längst ein großes Metal-Festival stattgefunden hatte. Um allen Daheimgebliebenen einen Eindruck von der neuen Location zu vermitteln, haben wir versucht euch mit ein paar Panoramaaufnahmen die Stimmung einzufangen -> Galerie Panoramen

 Der Donnerstag ist bekanntermaßen nach dem Donnergott Donar bzw Thor benannt und machte seinem Namen leider alle Ehre. Kurz nachdem wir uns häuslich im Red Camp eingerichtet hatten und vorfreudig mit dem Lineup in der Hand den Verlauf des ersten Abends planen wollten, wurden wir von der extra zu diesem Zweck über den Zeltplatz patrouillierenden Security und durch die unübersehbar aufziehenden Wolken vor einem schweren Unwetter gewarnt, welches zum Nachmittag über das Gelände hereinbrechen sollte. Dank der gut organisierten Warnung und im Schutze der aufgesuchten Autos überstanden die meisten Besucher und auch deren Zelte und Pavillons den kurz darauf folgenden Starkregen ebenso wie die teils orkanartigen Böen weitgehend unbeschadet. Da parallel auch das Infield evakuiert und alle Auftritte unterbrochen worden, war zwar die Nachmittagsplanung hinfällig, aber unsere Stimmung dennoch kaum getrübt; stellte der Rest des Tages doch noch einige Schmankerl in Aussicht. Leider wurde aber auch daraus nichts. - Kurze Zeit nachdem das Infield wieder geöffnet wurde und mit z.B. den Deez Nuts auch einige Auftritte stattfinden konnten, musste erneut und diesmal gleich final abgebrochen werden, da sich insgesamt drei weitere Gewitterzellen in der Umgebung bildeten und so zur ernsten Gefahr für die Sicherheit der Fans, Bands und der Ausrüstung heranwuchsen. Auch wenn wir die Auftritte von Größen wie Sepultura, Airbourne und Apocalyptica oder Suicide Silence und Dark Funeral bei der Knüppelnacht gerne erlebt hätten, so haben wir dennoch für die umsichtige und vernünftige Entscheidung der Veranstalter ebenso volles Verständnis wie die zahlreichen Gäste, die bedacht und ruhig auf die Zeltplätze zurückkehrten und dort dem Regen trotzend eine besonders feuchtfröhliche Nacht verbrachten. Einige der Auftritte werden erfahrungsgemäß sicher im kommenden, spätestens übernächsten Jahr nachgeholt werden. Für alle ungeduldigen bietet sich aber bereits etwas eher die Gelegenheit etwas des verpassten Lineups nachzuholen - am 31.10.17 - Airbourne im Werk 2, Leipzig.

 

 Wer glaubt, dass so umfängliche Auftrittsabsagen die Stimmung am Rest des Wochenendes nachhaltig trüben könnten, der kennt die WFF-Fangemeinde scheinbar schlecht. Ein bunter Haufen angenehmer Irrer dem wir ein extra Album mit Impressionen und Momentaufnahmen widmen: -> Galerie Fans
Was dem Sturm fast aus Trotz folgte, waren zwei unglaublich intensive Tage voller packender, stimmungsvoller und knallharter Konzerte, von hochalbernen Auftritten der üblichen Spaßbrigaden bis zu den düsteren Shows der eher schwarzen Fraktion. Zwei Tage in denen wir zwischen den staubigen Kampfzonen vor Ferox Stage und  dem großartig aufgebauten Impericon Hardbowl, der fast im Grünen gelegenen Big Wheel Stage und der mit Strandfeeling versehenen Metal Hammer Stage ständig hin und her flitzten, um auch ja keinen Auftritt mehr zu verpassen. Zwei Tage mit energiegeladenen, jungen Wilden, die zu Bands wie Callejon, Emil Bulls und Royal Republic Vollgas gaben und zwei Tage mit alten Hasen die zu Tryptikon, Kreator oder Rotting Christ die staubigen Haare schüttelten. Zwei Tage vollgepackt mit so viel Abwechslung und variantenreichen Performances, dass es uns echt schwer fällt, ein paar wenige Bands hervorzuheben. Wir versuchen es natürlich trotzdem. 

 Da das WFF nicht zuletzt wegen seiner Förderung des Nachwuchses und seiner Offenheit für aufstrebende Künstler bekannt ist, sparen wir es uns mal die etablierten Headliner wie In Flames, Kreator, Dropkick Murphys oder auch Architects und Soilwork unnötig über den grünen Klee zu loben, obgleich deren Shows ungleich imposanter und effektvoller daher kommen, als die der etwas unbekannteren Bands auf den Nebenbühnen. Stattdessen seien hier vielmehr lieber die Auftritte von Kvelertak am Freitag auf der Big Wheel oder Motionless in White am Samstag im Impericon erwähnt, die nicht nur durch die teils imposante Kostümierung einiger der Protagonisten auffielen, sondern vor allem durch die jeweils ganz eigenen Akzente im musikalischen Sinne positiv auffielen. Kverlertak, die schon mit Slayer und Anthrax auf Tour waren, haben schlicht einen ganz eigenen Stil, der geschickt Elemente aus recht unterschiedlichen Richtungen von Hardcore Punk bis Extreme und Black Metal mischt. Gepaart mit dem überaus charismatischen Auftreten von Frontman Erlend Hjelvik ist das eine großartige Voraussetzung für eine Liveband der ganz besonderen Art. Kein bisschen weniger Bühnenpräsenz bewies ebenfalls die amerikanische Metalcore-Band Motionless in White mit Frontman Chris Cerulli, Gitarrist Ricky Olson und ganz besondert dem aktuellen Bassisten Devin Sola. Der "Horror-Metal" Style à la Manson oder Rob Zombie überzeugt durch seine vielfältige  Gestaltung und abwechslungsreiche Rhythmen. Angereichert durch Keyboard und den beeindruckenden Gesang Cerullis hoben sich die Jungs aus Pennsylvania deutlich von vielen anderen Bands im Hardbowl ab und boten vor allem für feinere Ohren eine willkommene Abwechslung zum Metalcore-Einheitsbrei. Man kann nur hoffen, dass die Combo in ihrer jetzigen Zusammenstellung länger bestehen bleibt, als das bisher in der wechselvollen Vergangenheit der Fall war, da man durchaus noch einiges von ihnen in Zukunft erwarten kann.

Ein sicher noch anwachsendes Album mit Fotos (fast) aller Künstler findet ihr hier: -> Galerie Bands

 Gesamtfazit

 Das war eine gelungene Premiere! Der extremen Witterung zum Trotz ist es den Veranstaltern gelungen, sich an neuer Stelle zu beweisen und das With Full Force hoffentlich als festen Bestandteil des Ferropolis-Kalenders zu etablieren. Die einzigartige Location bietet, wie auch von vielen Künstlern während ihrer Auftritte angemerkt, eine hervorragende Bühne für Metal Acts aller Art und obendrein eine deutlich verbesserte Infrastruktur mit festen Sanitäreinrichtungen, regensicherem Untergrund vor allen Bühnen und deutlich mehr Platz falls man zwischen den Bands auch mal etwas Ruhe braucht. Der eingebaute Spielplatz wurde von großen wie kleinen Kindern ebenso dankbar angenommen, wie die Badestelle oder das Ruhewäldchen. Ebenso fiel das verbesserte Angebot an Speisen positiv auf, welches neben den Klassikern der Fastfood-Gastro auch ein überaus leckeres Angebot in der vegetarischen und veganen Ecke zu bieten hatte. Der im Vorfeld vielfach bemängelte weite Weg zum Infield ließ sich dank (im nächsten Jahr gerne etwas häufiger fahrender) Shuttlebussen, aber auch gesellig zu Fuß schnell überbrücken, wobei wir hier nicht für die Bewohner der gelben Camps urteilen möchten, die noch ein paar Meter mehr hatten als wir. 

TOP:

  • - 1a Location - klasse Ambiente - einzigartige Metal-Kulisse 
  • - ein wie gewohnt buntes und friedliches Publikum, dass sich vom Sturm und seinen Folgen nie die Laune verderben ließ
  • - eine Bühne mehr - noch mehr Abwechslung, noch mehr Bands

FLOP:

  • - Pfandmarken für Becher und sogar Papp-Becherhalter - hier spekuliert der Gastronom ausschließlich auf zusätzliche Pfandeinnahmen
  • - teils kniehohes, struppiges Gewächs auf den Zeltwiesen - unnötige Brandgefahr und nerviger Liegegrund - mit nem fleißigen Trekkerfahrer mühelos im Vorfeld zu beseitigen
  • - eine Bühne mehr - man möchte sich glatt klonen, damit man nichts verpasst und vor der Big Wheel leider oft etwas leer

Das With Full Force hat wieder einmal bewiesen, dass ihm ein Umzug nichts anhaben kann; dass es sich um sein Bestehen zu sichern entwickeln kann, ohne seinen Charakter zu verlieren und das es Fans unterschiedlichster Genre vereinen und gemeinsam feiern lassen kann, wie kaum ein anderes Festival.
Uns hat es überzeugt und definitiv gefallen und wir kommen in 2018 sehr gern wieder! \m/ 

Read 3716 times Last modified on 16/02/2018

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