Mein Name ist Julia und seit Anfang 2012 lebe ich mit der Diagnose Borderline, nachdem ich bereits 3 Jahre zuvor bemerkt hatte, dass mit meiner Gefühlswelt irgendetwas nicht wirklich stimmt. Zu der Zeit durchlebte ich eine mittelschwere Depression, wie mir der Arzt aufgrund von Tests bestätigte. Ich ging zum Psychologen, nahm ein Medizinstudium auf und veränderte andere Lebensumstände. Doch bereits im 2. Semester musste ich mir eingestehen, dass ich wirklich krank bin. Es folgte eine 3-monatige Therapie in einer Tagesklinik für Psychiatrie, weshalb ich ein Urlaubssemester einlegen musste. Danach sollte ich wieder belastbar sein, so die Psychologen in der Klinik. Zunächst kam ich mir auch sehr gesund vor, packte das Leben wieder bei den Hörnern und nahm das Studium 2011 zum Wintersemester wieder auf. Ich ließ eine anschließende Psychotherapie schleifen, weil ich mich gut fühlte und stürzte mich in den Medizinstudienalltag.
Doch von Woche zu Woche beschlich mich mehr und mehr ein gemischtes Gefühl. Ich sah wie alle um mich herum kämpften, doch irgendwie war ihr Kampf im Gegensatz zu meinem anders. Sie kämpften mit dem Lernstoff, ich zusätzlichen mit Selbstzweifeln und Stimmungsschwankungen, die mich an manchen Tagen lebensüberdrüssig machten. Bereits nach 2 Stunden Uni war ich so kaputt, dass ich mich am liebsten wieder ins Bett gelegt hätte. Ich liebe die Medizin, doch unsere Beziehung stand unter keinem guten Stern. Nach etlichen verkackten Prüfungen begann ich erneut eine Psychotherapie (Verhaltenstherapie). Erst dieser Psychologe brachte mich zum Nachdenken, ob dieser Weg wirklich der richtige war. Ich hatte mich verändert. War nicht mehr die starke große Schwester, die ich noch vor dem Abitur war. Heute umsorgt mich meine 4 Jahre jüngere Schwester.
Wie ein schwerer Alkoholiker irgendwann seine Leber einbüßt, so litt ich nun an einer geschundenen Seele. Doch nur weil es nun so war, wollte ich mein Leben und mich nicht aufgeben. Zeiten ändern sich, Menschen ändern sich. Den vor langer Zeit betretenen Weg verlassen und einen neuen einschlagen bedeutet noch lange nicht, dass man feige ist und von den Problemen zu fliehen versucht. Wohl eher stellt man sich diesen und ist so mutig, flexibel zu reagieren, um nicht auf halber Strecke liegen zu bleiben. Heute studiere ich im ersten Semester Lehramt für Förderschule, lebe in einer Wohngemeinschaft mit 3 jungen Männern und gehe wöchentlich zum Psychologen (Verhaltenstherapie). Den Traum des Arztwerdens habe ich im Januar 2012 ad acta gelegt. Gänzlich verdaut habe ich es noch immer nicht. Manchmal komme ich ins grübeln bei Arztsendungen und verfalle den Tränen. Doch alles in allem bin ich an klaren Tagen sehr froh diesen Schritt gewagt zu haben.
Warum ich dir das alles erzähle? Nachdem ich für Freunde fürs Leben ein Interview über meine Depression gab und sehr viel positives Feedback bekam, möchte ich nun weitere Einblicke geben, um vielleicht auch den einen oder anderen zu ermutigen. Egal ob du nun dich oder einen anderen in meinen Schilderungen wiederfindest, oder es einfach nur interessant findest. Jede Aufmerksamkeit auf diese psychische Erkrankung und das Verstehen, dass es wirklich eine Krankheit ist, möge ein Schritt in die richtige Richtung sein.
Wenn du gerne etwas bestimmtes Wissen möchtest, schreib mich gerne an! Über Anregungen, Kritik etc. bin ich sehr dankbar.
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Text: Julia Helen Gehrisch