Amphi Festival 16. - 17.07.2011

On: 15/08/2011

Zum 7. Mal veranstaltete das Musikmagazin Orkus am 16. und 17. Juli sein Amphi Festival und wieder kam das Schwarze Volk in Scharen zum Tanzbrunnen in Köln gepilgert.


Angesichts eines großartigen Line-ups war es nicht verwunderlich, daß auch dieses Mal alle 16.000 Tickets bereits mehrere Wochen vorher ausverkauft waren. Und so hatte sich schon eine ansehnliche Zuschauerschar vor der Mainstage versammelt, als [X]-RX am Samstag Mittag das Festival eröffneten. Mit sehr tanzbarem Industrial kam auch gleich richtige Konzertstimmung auf.
Mit Electropop von klangstabil wurde eine halbe Stunde später auch die Bühne im Staatenhaus eröffnet. Hier zeigte sich leider auch bereits, was das Manko bei fast allen Bands werden sollte, die hier auftraten: der Sound war auffallend schlecht gemischt.
Während es im Staatenhaus elektronisch weiterging, mit mind.in.a.box, Winterkälte, Frozen Plasma und Grendel, von denen ich allerdings nur recht wenig mitbekam, wurde es auf der Mainstage mit Staubkind nun erstmal rockiger. Mit Melotron gabs danach wieder Elektropop, der allerdings irgendwie nicht im Ohr hängenbleiben wollte.
Ganz anders dagegen Zeraphine. Mit sichtlicher Spielfreude präsentierten sie neben Stücken des aktuellen Albums „Whiteout“ auch einige ältere, darunter Ohrwürmer wie „Die Wirklichkeit“ und „Be my rain“, die vom Publikum lauthals mitgesungen wurden.
Danach war wieder Stilbruch angesagt, Samsas Traum spielten in ihrem charakteristischen Sound aus harten Gitarren und orchestralen elektronischen Klängen ein Best-of Set mit bekannten Songs wie „Endstation Eden“, „Stromausfall im Herzspital“ und „Für Immer“. Zur offensichtlichen Enttäuschung der Fans ließen sie dabei aber das aktuelle Album „Anleitung zum Totsein“ komplett aus.
Anschließend warfen wir wieder einmal einen Blick ins Staatenhaus, wo In Strict Confidence eine recht interessante Mischung aus rockigen Gitarren und zarten Synthesizerklängen auf die Bühne brachten.
Draußen lief fast parallel Tanzwut, die aber scheinbar nicht ganz in Form waren, jedenfalls wollte das Publikum nicht so richtig mitgehen.
Nun war es auf der Mainstage Zeit für den ersten Headliner, für den sich Mitveranstalter Honey (Welle: Erdball) persönlich zum Ansagen auf die Bühne begab: Die Krupps.  Angekündigt als Legenden des EBM, mit Vergleichen zu Kraftwerk und den Einstürzenden Neubauten, war ich allerdings von dem, was es dann zu hören und sehen gab etwas enttäuscht. Jedenfalls wollte bei mir der Funke nicht so recht überspringen. Die Fans störte das natürlich nicht, und so wurden die Düsseldorfer kräftig gefeiert.
Im Staatenhaus ging es derweil ebenfalls mit härterer Elektronik weiter. Nach Leatherstrip waren hier Suicide Commando an der Reihe und entsprechend groß war der Andrang. Was das Publikum zu hören und sehen bekam war eine sehr schöne, sehr tanzbare Show, eben genau das, was man bei Suicide Commando erwartet.
Auf der Hauptbühne durfte man sich nun, um es mit Honeys Worten zu sagen, nach all den „Musikern“ auf echte „Künstler“ freuen. Daß Deine Lakaien anders sind, läßt sich schon daran ablesen, daß ein guter Teil der Bühne von einem veritablen Flügel eingenommen wird. Und auch wenn man seit Kurzem auf den Gitarristen Robert Wilcocks in der Livebesetzung verzichten muß, wußten sie wieder einmal ihr Publikum für fast 2 Stunden zu verzaubern. Der guten Stimmung konnte nicht einmal der inzwischen kräftig einsetzende Regen einen Abbruch tun, welcher Herrn Veljanov zu Kommentaren über das tolle Wetter animierte. Zum Glück konnte ein Großteil des Publikums unter den Sonnensegeln vor der Bühne Schutz finden. Die Setliste reichte vom ersten Album (Name?) bis zum im letzten Jahr herausgekommenen Indicator quer durch die Bandgeschichte, mit „Fighting the green“, „The game“, „Over and done“, „Blue Heart“ und anderen Hits, die begeistert aufgenommen wurden. Den Schluß eines durch und durch großartigen Konzerts bildetete der Klassiker „Love me to the end“.
Im Anschluß warf ich noch einmal einen Blick ins Staatenhaus, das sich inzwischen wieder ein wenig geleert hatte, zum Konzert von Hocico. Hier bekam man eine energiegeladene Show zu sehen und jede Menge bekannter Titel im brachialen Industrialgewand zu hören, die das Publikum ordentlich in Bewegung brachten.
Den Abschluß bildetet auf der kleinen Bühne ein DJ Set von Musiksoldat alias Wolfgang Flür, früher Schlagzeuger bei Kraftwerk.
Und damit war dann der erste Tag des Festivals auch schon wieder rum, die Party mußte leider ohne uns stattfinden, da die Photographin ziemlich durchnässt war, und man ja auch am nächsten Tag wieder fit sein mußte.

Der Sonntag begann mit einem kräftigen Platzregen, den wir dann doch lieber abgewartet haben, und so mußte das Konzert von Der Fluch im Staatenhaus leider noch ohne uns stattfinden und auch von She's all that waren nur noch ein paar Minuten zu hören.
Also gings für uns richtig erst mit Ordo Rosarius Equilibrio los, die als Zweite die kleine Bühne erklommen. Leider dauerte der Umbau etwas zu lange, sodaß wir nur die ersten 10 Minuten genießen konnten, bevor es wieder nach draußen zur Mainstage ging. Aber was in dieser Zeit von ihrer als „Apocalyptic Folk“ bezeichneten Musik zu hören war, gefiel durchaus.
Die Mainstage wurde derweil von der Funkhausgruppe erobert, einem Projekt, das sich aus den   Bands Hertzinfarkt, Sonnenbrandt, Die Perlen und Welle: Erdball zusammensetzt. Entsprechend gut war die Bühne gefüllt, wobei bei den meisten Songs nur jeweils ein Teil der Musiker aktiv war. Mit dem kürzlich erschienenen ersten Album „Mono-Poly“ im Gepäck und punkig angehauchtem NDW Sound wurde jede Menge gute Laune verbreitet.
Da auch Diorama mit Verspätung begannen zog ich es vor, mir in Ruhe einen guten Platz vor der Mainstage zu sichern, denn hier warteten schon jede Menge Fans auf die Dreadful Shadows. Verständlich, denn die Band  ist offiziell seit Ende 2000 aufgelöst und hat seitdem nur noch vereinzelt Konzerte gegeben, wovon das letzte auch schon 3 Jahre zurückliegt. Daß sämtliche Songs schon etwas älteren Datums sind, was Sänger Sven Friedrich immer wieder Anlaß zu scherzhaften Kommentaren gab, tat der Begeisterung keinen Abbruch. Neben eigenen Stücken quer durch die Bandgeschichte gab es auch noch ein wunderschönes Cover des Nine Inch Nails Klassikers „Hurt“ und zum Abschluß „The Faith“ von New Order.
Ohne Pause gings gleich wieder nach drinnen, zu Clan of Xymox. Zu lange hielt es mich dort allerdings nicht, da der Sound derartig schlecht war, daß z.B. von den Gitarren zumindest da wo ich stand kein Ton zu hören war. Sehr schade, denn es ließ sich zumindest erahnen, daß es sich bei COX eigentlich um wirklich schönen, düster-orchestralen Dark Wave handelt.
Draußen betraten etwas später die Urgesteine des Synthipop von De/Vision die Mainstage. Mit ihrem Album „Popgefahr“ hatten sie sich im letzten Jahr wieder auf ihre elektronischen Wurzeln besonnen, leider wollte aber die Energie, die man von ihren Aufnahmen kennt, nicht so recht ihren Weg auf die Bühne finden. Also hörte ich mir das Ganze von Weitem an und nutzte die Zeit um ein wenig über die Händlermeile zu schlendern, die aber vor allem die üblichen Verdächtigen zu bieten hatte.
Opulente Neoklassik gab es als nächstes im Staatenhaus von In The Nursery zu hören, die in diesem Jahr bereits ihren 30-jähriges Bandjubiläum feiern konnten. Mit jeder Menge Schlagwerk auf der Bühne wurden unter anderem Stücke vom kürzlich erschienenen Album „Blind Sound“.
Während auf der Mainstage Agonoize ihr kunsbluttriefendes Spektakel zum Besten gaben, samt einem Sänger, der den Auftritt in Zwangsjacke an Stahlseilen über der Bühne schwebend begann, las im Theater Holli Loose, Sänger von Letzte Instanz, aus seinem Roman „Das weiße Buch des Jadefalken“. Dabei wurde er von Bandkollege Benni Cellini und Karl Helbig am Saxophon unterstützt, mit denen er zum Text passende Songs der Letzten Instanz zum Besten gab. Besonders interessant war daran, daß Benni mit seinem Cello zu Beginn zuerst einige rhythmische Loops einspielte, über die dann die Lieder gepielt wurden. Das Publikum hielt sich zwar zahlenmäßig in Grenzen, dafür waren die Anwesenden so in Bann gezogen, daß man im Raum hätte eine Stecknadel fallen hören können.
Das Ich im Staatenhaus mußten krankheitsbedingt auf Frontmann Stefan Ackermann verzichten, und so wurde die Band für dieses Konzert durch verschiedene Gastmusiker ergänzt, unter anderem Sven Friedrich, der nach den Konzerten mit Zeraphine und Dreadful Shadows hier seinen dritten Auftritt in diesen zwei Tagen hinlegte.
Auf der Mainstage gab es als nächstes Mittelalterrock von Saltatio Mortis zu hören. Mit neuem Bandmitglied Luzi das L (vorher bei Shelmish) am dritten Dudelsack und Songs vom rockigeren Ende ihres Repertoires wurde für jede Menge tolle Stimmung gesorgt. Bei „Falsche Freunde“ begab sich Sänger Alea wie üblich auf Stagedivereise übers Publikum, die diesmal aber nach eigener Aussage länger dauerte als je zuvor, sodaß er nicht wie geplant zum Refrain wieder die Bühne erreicht hatte und auch noch unterwegs war, als das Stück längst zuende war. Also stimmte er das nächste Stück kurzerhand bäuchlings über der Menge an. Als extra Leckerbissen gaben die Spielmänner außerdem mit dem Titel „Eulenspiegel Narrenkönig“ einen Vorgeschmack auf das im September erscheinende Album „Sturm aufs Paradies“.
Im Theater gab es währenddessen ein Konzert ganz anderer Art. Unter dem Titel „Classic & Depeche“ präsentierte der klassische Konzertpianist Lars Arnold die bekannten Songs von Depeche Mode in neuem Gewand. Dabei ging er so vor, daß er nur jeweils einen kleinen der Noten vor sich hatte um die herum er den größten Teil der Stücke improvisierte. So entstand ein einzigartiges Musikerlebnis, das bewirkte, daß man die Lieder ganz neu wahrnahm. Entsprechend ruhig und gespannt war die Athmosphäre und sicher habe nicht nur ich immer wieder gerätselt, welcher Song da eigentlich gerade gespielt wird. Erkennen konnte ich nicht alles, aber das ein oder andere schon, so zum Beispiel „John the revelator“ und „Enjoy the silence“. Und nach kurzer Rücksprache mit dem Veranstalter durfte auch die eingeplante Zeit für eine weitere Zugabe überzogen werden.
Als ich aus dem Dämmerlicht des Theaters wieder nach draußen kam, spielten im Staatenhaus gerade noch Feindflug, zu denen aber absolut kein Reinkommen mehr war, so groß war der Andrang. Immerhin blieb diesesmal im Gegensatz zu ihrem Auftritt 2009 die Halle ganz.
Also begab ich mich direkt wieder zur Mainstage wo jetzt mit Nitzer Ebb Heroen des EBM der alten Schule zu hören waren. Mit Hits aus fast 30 Jahren Bandgeschichte – wie „Let your body learn“ und „Murderous“ - wurde das Publikum schnell in Begeisterung versetzt. Abgeschlossen wurden 70 Minuten tolle Musik mit „Machineries of joy“, einem Cover von Die Krupps, zu dem sich auch deren Sänger Jürgen Engler auf der Bühne einfand.
Im Staatenhaus wurde inzwischen auch zum vorletzten Konzert angesetzt, die Italiener Kirlian Camera machten Elektro mit Rockelementen, der zum Teil auch ins Technoide ging. Leider hatte die Sängerin der Band mehr Schau- als Hörwert.
Also war stattdessen Kräfte sammeln für die letzte Runde angesagt. Den Abschluß auf der Mainstage durften Subway to Sally machen. Mit „Henkersbraut“ und der einzigen Pyroshow des Festivals wurde das Konzert eröffnet und dem Publikum von Anfang an ordentlich eingeheizt. Aber auch ruhige Momente gab es, z.B. den Klassiker „Kleid aus Rosen“. Und nachdem das Publikum schon vor und während des Konzerts immer wieder den Refrain angestimmt hatten, erfüllte die Band auch noch diesen Wunsch und spielte als Zugabe „Julia und die Räuber“. Vom immer noch singenden Publikum begleitet verließen die Musiker am Ende die Bühne.
Aber ganz Schluß war noch nicht, denn im Staatenhaus spielten noch Covenant, die für mich eins der großen Highlights dieses Festivals waren, und das obwohl ich sie erst kurz vorher schon auf dem WGT gesehen hatte. In einer brechend vollen Halle und bei gefühlten 50° Celsius gab es jede Menge neues Material vom aktuellen Album „Modern Ruin“ und einige ältere Hits wie „The Men“, „We stand alone“ und „Ritual Noise“, bei denen man einfach nicht anders konnte als zu tanzen und mitzusingen. Außerdem wurde die neue Single „Lightbringer“ gespielt, bei der Daniel Myer, der seit einiger Zeit  Clas Nachmanson ersetzt, auch den Gesang übernahm. Überhaupt war auffällig, daß Covenant seit der Umbesetzung deutlich experimenteller geworden sind und nicht nur die Songs genauso spielen, wie sie auf den Alben zu hören sind. Als erster Abschluß wurde es mit „Call the Ships to Port“ etwas ruhiger, nur um nach minutenlangem Beifall und Zugaberufen noch „Happy Man“ und „Dead Stars“ nachzuschieben, die die Halle noch einmal zum Kochen brachten und auch noch die allerletzten Energiereserven aktivierten. Erschöpft aber glücklich ging für mich damit ein wirklich tolles Festival zu Ende.
Wer wollte konnte auch noch einmal bis in den Morgen hinein im Theater das Tanzbein schwingen, aber nach so tollen Liveshows war uns wirklich nicht nach Musik aus der Konserve.
Insgesamt bleibt noch anzumerken, daß mir die Stimmung auf dem gesamten Festival als besonders gut aufgefallen ist, was sich in vielen Kleinigkeiten bemerkbar machte. Da wären z.B. die kostenlosen Trinkwasserstellen, die für ausreichende Versorgung mit Flüssigkeit sorgten, ausgesprochen freundliche und hilfreiche Securities und nicht unerwähnt bleiben soll hier auch die tolle Strandbar, die für besonders lustige Anblicke sorgte.
Eine besonders gute Idee war auch, in einem bisher ungenutzten Teil des Staatenhauses ein Festivalcafé mit ca. 800 Sitzplätzen einzurichten. Die Möglichkeit, sich im Trockenen einfach mal in Ruhe hinzusetzen war gerade angesichts des etwas wechselhaften Wetters sehr willkommen.
Schade war, daß es wegen der häufigen Überschneidungen schon zwischen den 2 großen Bühnen kaum möglich war etwas vom Programm im Theater mitzunehmen, auch weil dieses bei den gefragteren Programmpunkten schnell voll belegt war und man so nicht einfach mal schauen gehen konnte.

 

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