29. Wacken Open Air

On: 30/08/2018

29. Wacken Open Air

No Rain, only Shine

Ein Rekordsommer! Diesmal nicht in Litern Regen gemessen sondern, so zeichnet es sich ab,  der wärmste Sommer der letzten Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte. Die Ostsee lauwarm, Bakterienschwemme, Waldbrände und unsere Redakteurin fährt mit einer durch Ostseewasser verursachten Bindehautentzündung kurz nach dem Besuch beim Bereitschaftsarzt auf den Acker.

Erstmals müssen wir anstehen, obwohl wir Montagnachmittags ankommen. Die kostenlose Montagsanreise trägt Früchte. P ist noch nicht auf, die direkt an den Wacken Plaza angrenzenden Flächen sind voll und so will man uns recht weit weg vom Infield platzieren. Wir warten. Montags anreisen und dennoch kilometerweit laufen, so haben wir nicht gewettet. Kurze Zeit später haben wir Glück. Wir dürfen passieren und finden mit unserem Klappfix bei weiteren Klappfixfans Platz. Ein DDR-Fancamp mit Schweizern, nette Nachbarn, beim ersten Bier bauen wir den Faltcaravan und unsere Zelte auf. Die Sicht fantastisch, etwa 500 Meter trennen uns vom Wackinger-Ausgang. So lässt es sich leben. Dennoch sind wir recht platt von der Hitze, der Anreise mit Staus hier und da sowie dem Warten und Ärgern, trinken noch ein paar Bier, verschwinden am ersten Tag aber vergleichsweise zeitig im Bett. 

Freu dich denn du bist in Wacken! Tag 2 startet sonnig und schon am Nachmittag liegen wir mit unseren nachgereisten Freunden und eisgekühlten Getränken in unseren aufblasbaren Liegesäcken. Der Eismann liefert Cornetto vor das Zelt, das Becks ist eisgekühlt. Die Eiswürfellieferungen zum Zeltplatz-Supermarkt versiegen nie. Wacken hat Infrastruktur at it’s best!

Wir preisen den Erfinder der gemütlichen Lümmelmöbel und stehen nur auf, um unsere Nachbarn kennenzulernen oder unseren Bedürfnissen nachzugehen. Die Nachbarn spielen Krocodoc mit Trinken. Wir schließen uns an. Das Krokodil beißt mich, ich erschrecke und trinke einen eiskalten Wodka auf den Schreck. Gutes Spiel! Auch unser zweitliebstes Wackenspiel können wir genießen: „Braun oder dreckig“. Dank Ackerstaub, etwas Wind und Schweiß sehen wir aus, als hätten wir eine wochenlange Wüstenreise hinter uns. Die Bräune, die uns so gut steht, ist leider Dreck. Wir sind in Sand panierte Schnitzel (kann sich ja aber alles noch ändern…).

Bei schnuffigen 30 Grad bewegen wir uns am Mittwoch ins Dorf. Der Edeka trumpft mit herrlichen Rindersteaks bei kaum merklichen Wartezeiten auf und bei unserem Lieblings-Wackener Heiko gibt es ein kühles Bier und interessante Menschen sowie Gespräche. Hier fühlen wir uns wohl. Gegenüber warten die ersten Fans auf DORO, die in der Metal Church ein gefeiertes Konzert in besonderer Atmosphäre geben wird. Nach dem Presse-Check-In laufen wir wie in jedem Jahr zwischen den Feldern zurück in Richtung Camp, springen in den VIP-Bus und lassen uns nahe des Infields absetzen. Da hüpft das Herz!

Noch stehen vom Sprengen gegen den Staub kleine Pfützen und satte Grasbüschel zwischen den Soundtürmen auf dem Infield, das von hinten leicht abschüssig in Richtung der Mainstages ist. Das wird sich ändern. Wer Schlamm will wird Schlamm finden. Wer Staub will- nagut, niemand will Staub, aber den gibt es trotzdem für jeden. Nur die Grünflächen werden im Laufe der Woche wohl deutlich weniger werden, sodass sitzwütige Menschen bald auf Pappen, Jacken und dem Ackersand Platz nehmen werden.


Als es gegen Abend kühler wird gönnen wir uns die Steaks, kühle Radler und versuchen einen Blick auf NAZARETH („Love Hurts“) zu erhaschen. Mitsingen können wir und Feuerzeug in die Höhe recken geht auch bei Saunatemperaturen. EXTRABREIT („Hurra Hurra die Schule brennt“), die auf der Beergarden-Stage spielen, hauen uns nicht so vom Hocker. Die BACKYARD BABIES und SEPULTURA jedoch heizen die Menge des nochmal vergrößerten Zeltes vor der Bühne tatsächlich noch mehr an, als die Abendsonne. Immer noch stehen Mengen vor den Zelteingängen, kommen nicht rein. Wie Metal-Cowgirls und Cowboys schwitzen wir, umgeben von unserer Herde in unserer Prärie. Wacken, wir haben dich vermisst, ob nun rain or shine uns lieber ist, wissen wir aber nicht so recht.
  

Am nächsten Tag fällt es uns schwer in die Gänge zu kommen. Duschen sinnlos aber nötig, Schuhe oder gar Stiefel anziehen eine Qual, Bewegen eine Tortur. Als wir uns endlich aufraffen lohnt es sich nicht so recht. Wie Dirk Bach (R.I.P.) springt ein etwas unförmiger VINCE NEIL über die Bühne und trällert Mötley Crüe-Songs, wirkt dabei viel weniger cool als es die Musik erfordert und tut uns ein bisschen leid. Stimmlich passt es meist zwischen den hektischen Atemzügen, etliche Fans grölen immerhin schiefer mit. Ein zwei Meter großer Wasserball wird von Fans umhergeworfen, fällt in den Staub, löst eine gigantische Staubwolke aus und wir husten in unsere um die Münder gelegten Halstücher. Bei THE FRIGHT jubeln wir frenetisch. Die Leipziger haben es auf die Wasteland Stage geschafft und scharen Rock’n’Roll-Fans um sich. Die aus dem Horrorpunk kommende Band wird von tanzenden Wasteland Warriors umringt. Ein toller Gig und wir sind stolz auf die Jungs!

Weiter ging es mit BEHEMOTH. Black Metal bei Hitze geht immer! Langsam schaukeln wir zu den eindringlichen Songs, genießen einen großartigen Auftritt und nehmen das erste Mal auch Jubelstürme auf dem Infield vor den gigantischen Hauptbühnen mit in die Erinnerungstruhe. DANZIGs „Mother“ mal live zu hören war unser nächstes Ziel. Ein toller Moment! Auch oder gerade erst recht HATEBREED, sprengten endgültig die Faulheit aus unseren Knochen. Was für ein Auftritt mit hunderten Stagedivern! Trotz Staub färbt sich zu WATAIN und DYING FETUS unsere Haut rot. Auch die Sonnencreme kämpft mit dem Rekordsommer, genau wie wir, die erneut zeitig in die Zelte krabbeln und ein bisschen nächtliche Kühle auf frischgeduschter Haut genießen.

Ein lauwarmer Eiskaffee mit Rum und die Leipziger von WALKING DEAD ON BROADWAY motivieren uns zu einem erneuten Wüstenmarsch vorbei an Wacken Plaza mit E-Sport-Zelt (Ja, Zocken in Wacken) und Motorshow-Tribüne, unter der Motorräder unter dröhnendem Lärm im Kreis in der waagerechten rasen. Die Jungs von WDOB jedenfalls zerlegen das Bullhead City-Zelt und gefallen uns richtig gut! Auch CANTERRA aus Leipzig schauen wir uns auf der Wackinger Bühne kurz an, treffen uns dann jedoch zu MR. BIG („Wild World“) wieder mit unserem Freunden. Wir singen mit, schunkeln im Takt, strahlen. Das sind tolle Wackenmomente! Danach die beste Band des Festivals: Für uns rocken CLAWFINGER alles weg. In buntesten Anzügen und bester Laune präsentieren sie Crossover, der selbst Kuttenträger und Altmetaller in Entzückung versetzt. „The Biggest, The Best, Better Than The Rest“ – das trifft zu. Wir haben den Spaß unseres Lebens! Doch es heißt durchhalten: Wir wollen nachts 2 Uhr Ghost sehen und entspannen etwas bei den BLUE PILLS, tanzen zu MANTAR, werfen kurz einen Blick auf OTTO UND DIE FRIESENJUNGS, vor deren Bühne es gerammelt voll zugeht. Dann genießen wir IN FLAMES, Otto hin oder her. Das Set der Schweden ist randvoll mit neuen Ohrwürmern und vielen alten Hits. Eine gelungene Mischung auch für Neusongmuffel.

Als endlich GHOST die Bühne betreten sind wir begeistert. Das Ambiente, der Sound und der vertraute und doch neue Klang sowie die eingängigen Songs begeistern. Ghost können mehr als gefällige Radiosongs, sie können tolle Liveshows und Wacken richtig munter machen.

Am nächsten Tag geben wir uns viel Altbekanntes: Zu KNORKATOR feiern und tanzen wir, unser Fotograf darf ein weiteres von-der-Bühne-Bild sammeln und wir lachen, obwohl es wie immer eng ist im Publikum vor Stumpen und Co.. Statt „Zähneputzen, Pullern und ab ins Bett“ entscheiden wir uns für das Wachbleiben. Trotz Hitze und Staub springen, tanzen und singen wir zu SKINDRED, die wieder fantastisch sind und jedes Jahr spielen könnten. STEEL PANTHER sind gewohnt unterhaltsam, verlieren sich aber diesmal in sinnlosen Dialogen über Menschen im Publikum und deutschen Beschimpfungen, Frauen und alten Geschichten. Hätte man das Set nicht nur zur Hälfte mit Songs bespielt, wäre es sicher auch gelungen gewesen, musikalisch sind die Panther dennoch top und die Ohrwürmer perfekt präsentiert. Doch wo wir gerade bei Boobies waren: ARCH ENEMY legen ein tolles Set hin, später genießen wir DIMMU BORGIR mit symphonisch diabolischen Klang und rasten ein letztes Mal zu ESKIMO CALLBOY aus.


Seelig und mit neuen Eindrücken im Gepäck wandern wir in Richtung Zelt. So abwechslungsreich war unsere persönliche Running Order noch nie. Wir haben uns überraschen lassen, meist zum Guten. Körperlich sind wir im Eimer. Vielleicht mehr als sonst. Alles schmerzt, der Hals tut weh, wir husten und schnauben schwarze Irgendwasse aus unserem Gesicht. Die Augen sind rot, auch wenn die Bindehautenzündung seit Tagen überstanden ist. Ob wir noch Füße haben, wissen wir nicht. Erst am Abend im Hotel am Meer nach einem Bad und einem weiteren Fußbad bekommen wir sie wieder zu Gesicht. Wacken war 2018 extrem. Doch im nächsten Jahr ist Jubiläum. XXX! Diesmal mit dabei: Als Headliner PARKWAY DRIVE (und Marlene so „Hab ich’s nicht gesagt dass die als Headliner wiederkommen!“), SABATON mit Jubiläumsshow, DEMONS & WIZARDS, POWERWOLF, AIRBOURNE, ROSE TATTOO, MESHUGGAH, WITHIN TEMPTATION, KROKUS, DARK FUNERAL und AVATAR. Wieder hüpft das Herz. Nochmal, nochmal, schreien die geschundenen Körper und zählen die Tage. Nicht allein, denn in den Tagen, in denen wir diesen Text schreiben, wird das W:O:A 2019 ausverkauft. Danke liebes Wacken Open Air, dass du das jedes Mal mit uns und für so viele weitere Menschen schaffst!

Deine Schwarze Presse

Gesammelte Eindrücke findet ihr noch in unseren Alben zum Festival:

Impressionen- Leipzigs Local Heros - Weitere Bands

Und weiter geht’s:

Was? XXX. Wacken Open Air

Wann? 01.08.2019-03.08.2019

Wo? Wacken, Schleswig-Holstein

Infos unter www.wacken.com

 

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