„Die Musik spricht für sich allein. Vorausgesetzt, wir geben ihr eine Chance.“
(Yehudi Menuhin)
Wie in den vergangenen Jahren wurde das unvergessliche Event mit einem Festivaltag im Haus Auensee eröffnet. Inmitten des von historischem Charme geprägten Konzertsaales tummelten sich an jenem Abend unzählige Genießer dunkler Musik, um den rockigen und düsteren Klängen der Nacht zu lauschen. Neben den Musikern von Oomph!, Letzte Instanz und Stahlmann – die sich vor dem Betreten ungewohnten Terrains noch einmal freimütig im Original präsentierten – heizten auch die Mittelalter-Rockband Tanzwut sowie die Schweizer Dark Alternative Band The Beauty of Gemina die prall gefüllte Halle ein.
Nach einem gelungenen Opening am ersten Festivaltag, folgte Samstag schließlich das eigentliche Highlight: ein melodischer Ausflug in die Welt der Streich- und Blasinstrumente. Im eindrucksvollen Großen Saal des Gewandhauses trafen die markanten Stimmen von Mart (Stahlmann), Holly (Letzte Instanz) und Dero (Oomph!) in ihren eigenen Werken an diesem Abend auf ein Instrumentalensemble der klassischen Art, was die Veranstaltung für Musiker und Publikum wie erwartet zu einem unvergesslichen Erlebnis machte.
Minute für Minute füllten sich unter neugierigen Blicken die amphitheatralischen Sitzreihen und Emporen des Saales mit schwarzen Seelen – herausgeputzt in feinstem Zwirn für den besonderen Abend. Unter Applaus wurde schließlich pünktlich zur Prime Time die Zielona Góra Philharmonie begrüßt. Gespannt richteten die Zuhörer nun ihre Blicke auf die orchesterbesetzte Bühne als Martin ‘Mart‘ Soer, Frontmann der Neuen Deutschen Härte Band Stahlmann, die Szenerie betrat. Schon das Outfit des charismatischen Sängers ließ vermuten, dass der Abend im Zeichen von Gegensätzen stünde. Bekleidet mit schwarzer Beanie und Anzug eröffnete seine raue, ungehobelte Stimme zu seichten Streichern die vom aktuellen Album „Bastard“ (2017) stammende Ballade „Nichts Spricht Wahre Liebe Frei“ und sorgte gleich zu Beginn für eine intensive, gefühlsbetonte Atmosphäre. Für den zweiten Titel „Schwarz und Weiss“ wurde die Bühne nach einigen dankenden Worten an das Publikum passend zur emotionalen Tiefe des Songs in kühles, blaues Licht getaucht, dessen sehnsuchtsvollem Ausdruck auch das dritte Stück „Mein Flehen“ folgte. Nicht weniger bedeutungsvoll durchdrang in schwermütigem Klang „Die Klinge“ den inzwischen im gelben Lichtkegel erstrahlten Raum. Im abschließenden fünfjährigen Klassiker „Engel der Dunkelheit“ unterstrichen schließlich imposante Bläser den Rausch der nachdenklichen Stille und beendeten den halbstündigen Auftakt des Abends bevor Mart sichtlich berührt von der gefesselten Stimmung mit begeisterndem Applaus von der Bühne verabschiedet wurde.
Schon kurz darauf betrat die Dresdner Rockband Letzte Instanz das nach wie vor vom meisterhaften philharmonischen Ensemble geprägte Bühnenbild. Während es sich die Jungs mit ihrer jeweils besseren Hälfte – Bass, Gitarre, Violine, Cello und Drums – im orchestralen Wohnzimmer bequem machten, zögerten technische Tücken das Erklingen der ersten Töne hinaus. Mit einer Handvoll Humor und einem gut gelaunten Publikum war der Lapsus jedoch schnell vergessen, sodass auch Sänger Holly amüsiert von der belustigten Stimmung die Bühne betrat. Stilsicher eingekleidet in weißem Hemd, schwarzer Weste und ebenfalls mit schwarzer Beanie ließ der Kopf der Truppe seine Blicke bedächtig durch die Halle schweifen und genoss den indessen entstandenen Moment der Ruhe. Mit hüpfenden Streichern und einem durchdringenden Schlagzeug-Groove wurde sodann das erste Stück „Regenbogen“ als Opener des Auftritts eingestimmt. Gepackt von der musikalischen Einleitung wandte sich Holly folgend an das Orchester, um dessen Mitgliedern im Namen aller Beteiligten einen Dank für den bevorstehenden Abend auszusprechen – auch wenn er hierbei aufgrund der polnischen Wurzeln der Instrumentalisten mit Zungenbrechern zu kämpfen hatte. Der zweite, erst im August auf dem Album „Liebe im Krieg“ veröffentlichte Titel „Blutmond“ sorgte anschließend mit energischen Drums und tiefer klarer Stimme für eine energieerfüllte Atmosphäre, die die Zuhörer zu rhythmischem Applaus mitriss. Den Bogen zur gefühlvollen Herz-Schmerz-Atmosphäre schlugen folgend die Songs „Der Kuss“ und „Der Garten“, die Sänger Holly Händchen haltend in Unterstützung der jungen, zarten Frauenstimme von Sängerin und Songwriterin Johanna Krins und dem akustischen Arrangement der Streicher und Bläser zum Besten gab. Mit einem charmanten und witzigen Seitenhieb ermutigte der Lead Singer in der Folge das Publikum, „[unter Wahrung der Contenance Regeln zu brechen]“. Dies sorgte kurz für einige verdutzte Blicke bevor klar wurde, dass dies eine Aufforderung war, sich dem manierlichen Ruhen in den Sitzreihen zu entziehen. Nach anfänglicher Zurückhaltung reagierte das Publikum schließlich, erhob sich passend zum Stück „Steh auf!“ von den Plätzen und klatschte freudig im Takt. Animiert von der nun lebhaften und schwungvollen Stimmung, ließen sich im letzten Song vor der Pause „Wir sind allein“ sogar Einige zu schwankenden Armen, schunkelndem Wippen und einem gemeinsamen „na na na na“-Refrain hinreißen, bevor das Publikum auch hier in Hochachtung vor der musikalischen Leistung der Band und des Orchesters in Beifall ausbrach.
Nach einer kurzen Verschnaufpause nahm zu guter Letzt auch die zweite Hälfte des Abends ihren Lauf. Wieder in seinen Reihen platziert, begrüßte das Publikum mit zufriedenen Gesichtern in dreifachem Applaus das Zielona Góra Orchester, die Bandmitglieder der auf dem vereinten Pflaster von Industrial/Metal/Gothic geltenden Pioniere Oomph! und – last but not least – den gesanglichen Wortführer der Gruppe, Dero. Ohne großes Brimborium stimmte ein kraftvoller Schlagzeugrhythmus den ersten Song der Band „Das weiße Licht“ ein und wies mit seinem energisch durchdringenden Charakter die Richtung der bevorstehenden musikalischen Darbietungen. Nicht weniger rockig und von dunkler Wortkunst begleitet durchschoss folgend „Träumst Du“ den Saal und führte fort, was der Auftakt bereits vermuten ließ: instrumental klassische Untermalung gepaart mit einer deftigen Portion schlagzeug- und gitarrenkonzentrierter Klangfarbe. Nicht verwunderlich, dass sich das Publikum – bereits eingestimmt vom ersten Teil des Abends – ohne Zucken zu eindringlichem Klatschen ermutigt fühlte, welches auch den Ohrwurm „Gott ist ein Popstar“ umrahmte. In voller Konzentration auf die musikalische Gesamtwirkung zwischen emotionaler Stimme und klangvollem Ensemble im Rücken, wandelte anschließend der fast 10-jährige Klassiker „Auf Kurs“ – einzig gemächlicher Song der zweiten Hälfte – die ausgelassene Stimmung in eine ruhige, besonnene Atmosphäre. Für einen kurzen Moment durchzog eine nachdenkliche Gänsehaut-Stimmung die Reihen der Zuhörer bevor im messerscharfen, aber auch gefühlvollen Werk „Alles aus Liebe“ wieder Fahrt in stürmische Gewässer aufgenommen wurde. Mit den aus Kindheitstagen bekannten Zeilen „La Le Lu | Nur der Mann im Mond schaut zu“ machte schließlich der Song „Sandmann“ die Bühne zum Laufsteg und leitete in den ebenfalls bei Kindern aus Versteckspielen bekannten Reim „Eckstein | Eckstein | Alles muss versteckt sein“ aus dem zugehörigen Stück „Augen auf“ über. Im damit letzten Song des Sets sangen die Zuhörer noch einmal aus voller Kehle den Countdown zum Refrain, auf den so manch einer schon den ganzen Abend zu warten schien. Nach dem formalen Abschluss des klassischen Arrangements ließ sich Dero jedoch die Frage „Wollt ihr noch einen? Wirklich?“ nicht nehmen, die mit einem unmissverständlichen „Einer geht noch, einer geht noch rein“ beantwortet wurde. So folgte in einer Zugabe erneut das melancholische, langsame Stück „Auf Kurs“, welches einen ehrwürdigen Abschluss des Abends zeichnete, bevor die Zuhörer unter tosendem Jubel ihrer Begeisterung mit Standing Ovations Ausdruck verliehen.
Résumé des Abends: erstklassige Auftritte mit allerlei Herzblut… und dennoch ein bisschen Wehmut, dass ein Großteil der Songs ihrem ungestümen Wesen treu blieb und nicht noch tiefer in die instrumentale Harmonie des Orchesters eindrang.
Vielen Dank an die Bands, den Veranstalter Mawi Concert GmbH und alle anderen, die dieses Wochenende so einzigartig gemacht haben!
Psssssssst… ein kurzer Ausblick aufs nächste Jahr: Joachim Witt und Diary of Dreams sind Samstag und Sonntag, den 06./07. Oktober bereits im Boot. No more words to say! ;-) //Text: Maria K.
Galerien nur Haus Auensee: