Festivalbericht: Nocturnal Culture Night 2024
Dunkle Klänge und magische Momente im Kulturpark Deutzen
Erneut hat das NCN bewiesen, dass es seit Jahren einen festen Kalendereintrag unter Fans der dunklen und alternativen Musikszene verdient. Vom 06. bis 08. September verwandelte sich der idyllische Kulturpark Deutzen erneut in einen Ort der magischen Begegnungen, fesselnden Sounds und einer Atmosphäre, die so nur das NCN kreieren kann. Zwischen Wald, Licht und Schatten wurde das Festival zum Treffpunkt für Fans von Dark Wave, Industrial, EBM, Gothic und vielen weiteren Subgenres sowie all jenen, die das Unerwartete lieben. Mit internationalen Größen, aufstrebenden Newcomern und einem Rahmenprogramm voller Überraschungen bot das Festival mehr, als man an einem Wochenende erfassen konnte. Unsere Eindrücke aus den intensiven Momenten, die dieses Wochenende so unvergesslich machten, haben wir für euch in Bild und Text festgehalten.
Freitag – Sanfter Einstieg und emotionale Höhepunkte
Schon am ersten Abend zeigte das NCN, wie groß die Bandbreite seines Programms ist. Allein die Lesebühne machte deutlich, dass hier nicht nur Musik einen festen Platz hat. Während das Publikum gebannt den Lesungen folgte und die Sitzplätze zwischen den Bäumen füllte, tummelten sich auf den Musikbühnen zahlreiche klangvolle Highlights. Zwischen ruhigen, tiefsinnigen Sets und lebhaften Tönen umhüllte sich der Kulturpark mit magischen Klängen und Begegnungen.
So sorgten bspw. V2A aka „The World Famous Post Apocalyptic Industrial Band“ auf der Waldbühne für einen Moment der Vertrautheit, als die Frontfrau stolz ihre sächsische Herkunft betonte. Die Band hat sich seit ihrer Gründung im Jahr 2001 mit ihrem unverwechselbaren Mix aus EBM, TBM und Industrial einen Namen gemacht, begeisterte das NCN-Publikum aber auch mit einem Coversong zu „Hate Is a 4-Letter Word“. Die Band TÜSN verwandelte die Parkbühne hingegen in eine melancholische Kulisse, die das Publikum in sanfte Schwermut eintauchte. Gewohnt tiefsinnig, mit Piano-Version im Gepäck und Gemütlichkeit im Scheinwerferlicht.
Mit Songs wie „Was hast du heute Abend vor“ und „Schwarzmarkt“ – die passender für den Auftritt nicht hätten sein können – durchzogen sie die Abendluft mit einer warmen, nachdenklichen Stimmung. Auf der Amphibühne sorgten Escape with Romeo als Urgesteine der Szene mit ihren gitarrengeküssten Songs für volle Zuschauerränge und leere Essensstände. Nach einer fast 4-jährigen Pause kehrte die Band erst 2022 wieder in die Öffentlichkeit zurück und released noch dieses Jahr ein neues Album, auf das nicht nur das NCN-Publikum gespannt sein dürfte. Auf der Kulturbühne beeindruckte AH Cama-Sotz mit einem Set, das elektronische Beats mit mystischen Klanglandschaften verwob. Die fast schon hypnotisierende Musik spiegelte unverkennbar die düstere Experimentierfreudigkeit des Musikers hinter dem Projekt wider, die bis heute als sein Markenzeichnen gilt. Zur Abenddämmerung heizte wiederum Welle:Erdball auf der Waldbühne die Menge mit ihrer gewohnt extravaganten Show ein, die von Schaufensterpuppen und Seifenblasen bis hin zu erleuchtenden Einblicken über Synthesizer-Preise reichte. Die fast schon zum Inventar der deutschen Elektronikszene gehörende Band zeichnete sich auch an diesem Abend durch ihre humorvolle Art und auffallend visuelle Konzepte aus und ließ Füße, Hüften und Herzen tanzen. Mit einem atmosphärisch und emotional aufgeladenen Hörerlebnis hüllten schließlich Klangstabil die Zuhörer mit Klassikern wie „Math & Emotion“ auf der Amphibühne ein. Mit treibenden Beats und düsteren Klanglandschaften erzeugten die Musiker über Songs hinweg eine unverwechselbare Dramatik, in der sie Themen wie Selbstreflexion, Verlust und zwischenmenschliche Beziehungen behandelten. In einem besonders emotionalen Moment, der das Publikum sichtbar rührte, erinnerte Boris unter Tränen sogar an zwei verstorbene Freunde, denen er anschließend „auf Gräbern tanzend“ einen Gruß sendete. Einmal mehr machte dieser Moment der Trauer und Verbundenheit deutlich, wie stark die familiäre Gemeinschaft des NCN-Festivals ist.
Samstag – Von 80er-Jahre-Vibes bis zur elektrisierenden Discostimmung
Der zweite Tag begann wie der erste Tag endete – mit guter Laune und einem abwechslungsreichen Programm. In der Mittagshitze schallten erste Beats durch den Park, während sich die Bühnen nach und nach füllten. Schattenplätze wurden zu den heißesten Spots auf dem Gelände, während Hartgesottene vor den Bühnen der Sonne trotzten. In Nebel gehüllt, fast surreal, performten am Abend Bragolin auf der Parkbühne in düsterer Ästhetik. Mit charismatischer Stimme und Gitarre, fing der Sänger in seinen Songs eine Melancholie ein, die sich perfekt mit treibenden Rhythmen und markanten Synthesizern verband. Auf der Waldbühne entführte Signal Aout 42 die Fans mit Songs wie „Submarine Dance“ in die 80er Jahre. Ihre nostalgisch elektronischen Klänge, kombiniert mit bizarren Videoausschnitten, ließen die Zuschauer in Erinnerungen schwelgen. In einer besonders skurrilen Lichtprojektion tanzten Skelettgestalten in erotischen Posen – ein Moment, der den ein oder anderen sowohl amüsierte als auch kurz von der musikalischen Darbietung ablenkte. Eivør, die Sängerin von den Färöer-Inseln, brachte später eine fast schon märchenhafte Atmosphäre auf die Amphibühne. Ihre verträumten Songs, die Folk-Elemente mit modernen Klängen kombinierten, verzauberten die Zuhörer. Während sie das Publikum in eine andere Welt entführte, brachte ihre Faszination über die ungewohnt warme Septemberhitze in Deutzen viele Besucher zum Schmunzeln. Das Kontrastprogramm lieferte Die Selektion, die sich selbst augenzwinkernd als „Prosecco Wave“ beschreibt. Mit Trompetenklängen in St. Leonard & Co. schufen sie nicht nur ausgelassene Stimmung, sondern auch eine einmalige Note. Absprechen konnte man diese auch Hocico nicht: wie erwartet wirbelte Erk mit Federboa eine geballte Ladung Energie aus düsteren Beats, aggressiven Synthesizer-Klängen und provokanter Bühnenpräsenz von der Waldbühne. Und als IAMX mit seiner energiegeladenen Show das Amphitheater in eine regelrechte Discoparty verwandelte, verschmolz auch der letzte im Publikum am Abend mit der Bühne. Chris Corner, der kreative Kopf hinter IAMX, begeisterte nicht nur mit eindringlichen Texten, sondern auch mit einem ausdrucksstarken Bühnenauftritt, der seine persönliche Reise und Identität par excellence widerspiegelte.
Parallel stimmte Dernière Volonté auf sinnig-tiefgründige Momente ein. Die Band, die oft für ihre emotionalen Live-Auftritte gelobt wird, verwebt neoklassische Elemente mit Dark Wave und Post-Punk und schuf damit eine einzigartige Klanglandschaft, die das Publikum in die Nacht eintauchen ließ.
Sonntag – Ein Finale voller Energie und dunkler Eleganz
Am Sonntag war das Festivalgelände bereits von einer erwartungsvollen Spannung erfüllt, als die ersten Acts starteten und das Publikum ein letztes Mal zusammenfand. So begeisterten u.a. Frozen Plasma auf der Waldbühne mit ihrer jugendlich-frechen Ausstrahlung. Auf der Bühne zeigte sich das Future-Pop-Duo zugänglich und energiegeladen und hinterließ im Publikum einen stimmungsvollen Fußabdruck. Fans, die es laut und direkt mögen, fanden sich wenig später auf der Amphibühne ein. In einer rohen, elektrisierenden Atmosphäre heizte Klutæ mit eingängigen Sounds ein. Sichtlich erfreut über die Wolkendecke nach den heißen Festivaltagen bedankte er sich humorvoll für die ersehnte Abkühlung und dröhnte freudig die nächsten Electro-Industrial-Beats in die Luft. Har Belex holte den Puls schließlich mit einer verträumten Darbietung wieder auf Normalmaß. Mit einer schlichten, doch kraftvollen Präsenz, die ihre poetischen Texte und warmen Melodien in den Mittelpunkt stellt, stimmten sie einen ruhigen, aber intensiven Genuss für Fans gedankenversunkener Klänge ein. Ein Wechselspiel aus düsterer Romantik und rockiger Energie holten später Zeraphine auf die Waldbühne. Mit „Berliner Schnauze“ und Hits wie „Die Macht in dir“ und „Be my Rain“ sorgte Frontmann Sven für eine poppige Stimmung, die die müden Knochen des Publikums wieder auflockerte und auf den krönenden Abschluss einstimmte. Den letzten Höhepunkt des Festivals lieferte schließlich Northern Lite, dessen Frontmann das Publikum in weißem Haar und Hawaiihemd an über 25 Jahre Musikgeschichte teilhaben ließ. Mit cooler Gelassenheit erzeugte die Band einen unwiderstehlichen Groove, untermalt von elektrisierenden Sounds und einer leidenschaftlichen Performance – der perfekte Mix aus elektronischer Musik mit einer guten Portion Rock-Attitüde. Ein würdiges Finale für ein Wochenende voller großartiger Musik, Überraschungen und magischer Momente.
Einzigartige Eindrücke und bleibende Erinnerungen
Nicht nur die Künstler, sondern auch das NCN-Publikum trägt zum unverwechselbaren Charme des Festivals bei. In einer bunten Mischung aus Szenegrößen und Neulingen bewegten sich die Besucher von Bühne zu Bühne, teils orientierungslos, aber stets getragen von freundlicher Atmosphäre. Während der Darbietungen waren kaum Smartphones im Einsatz, was besonders im Vergleich zu anderen Konzerten auffiel: Hier schien es einzig um das Erlebnis im Moment zu gehen.
Auf dem Gelände boten zahlreiche Stände Szene-Mode, Schmuck und Kunst zum Stöbern an, und viele nutzten die Pausen zwischen den Auftritten, um die legendäre schwarze Hüpfburg auszuprobieren, die nicht nur für Unterhaltung sorgte, sondern auch die familiäre Seite des Festivals widerspiegelte. Hier konnte man nicht nur Zuschauer, sondern Teil der lebendigen Festivalwelt sein, die zwischen Vertrautheit und unbekannten Begegnungen stets neue Facetten bereithielt. Auch die schrillen Outfits des Publikums zeigten, wie vielfältig und kreativ die NCN-Community ist.
Das Wetter hielt sich trotz mancher Gewittervorhersage, auch wenn zuletzt eine panische Flucht vor dem Regen beobachtet werden konnte – letztlich passte selbst das Unberechenbare zum unvergesslichen Charme dieses Festivals.
All die Eindrücke unterstreichen, was das NCN-Festival so besonders macht: Hier wird nicht nur die Musik gefeiert, sondern auch das Gefühl, eine riesige Familie zu sein.
Ein Wort an die Kritiker
Für die Kritiker unter uns – die immer da sind und manchmal auch gebraucht werden – ein kleiner Einblick in das Festivalleben: Der Preis für so viel Kultur, so viele Stände, Künstler und Gänsehaut ist nicht nur gerechtfertigt, sondern ein echtes Schnäppchen! Manch einer mag sich auch über das Wetter beschwert haben – aber in Deutzen gilt schließlich der Grundsatz: Echtes Festivalfeeling entsteht durch ein bisschen Sonne, ein bisschen Schatten und ein Hauch „Was zieh ich nur an, wenn’s regnet?“ Für die Musikwelt-Gourmets: Natürlich trifft nicht jede Band jeden Geschmack, aber genau das ist doch das Rezept für die legendäre Vielfalt des NCN. Und ja – das ewige Thema Parkplätze! Aber mal ehrlich: Ein bisschen Fußweg zum Festival ist doch nur die perfekte Aufwärmübung, um die Tanzbeine locker zu machen und sich schon mal in Festivalstimmung zu bringen. So viel Abenteuer muss eben sein!
Danke für drei unvergessliche Tage!
Ein Festival wie das NCN entsteht nicht aus dem Nichts – es braucht Kreative, Macher, Helfer und eine ganze Menge Herzblut. Unser besonderer Dank geht daher an all die Künstler und ihre Crews, die Techniker, die Gastronomen, die Händler mit ihren einzigartigen Ständen, das unermüdliche Reinigungsteam, alle Helferlein und natürlich die Organisatoren, die das Festival so liebevoll auf die Beine gestellt haben. Ohne euch wäre diese faszinierende kleine Welt in Deutzen nicht möglich gewesen! Ein herzliches Dankeschön auch an alle Besucher, die das NCN in ein pulsierendes Fest verwandelt haben. Ihr seid das Herz und die Seele dieses einzigartigen Erlebnisses!
Psssst…
Die Vorfreude beginnt JETZT! Schnell sein lohnt sich! Der Ticketvorverkauf für 2025 hat schon begonnen und die ersten Tickets gingen weg wie warme Semmeln! https://www.ncn-festival.de/
Das Line Up steht in den Startlöchern – und mit Camouflage hält garantiert nicht nur ein Ohrwurm Einzug! Wer singt mit?
// Text: Maria K.