Interview: SICKDOLL

On: 10/04/2012

Am 28.04.2012 werden SICKDOLL AND THE NUCLEAR SHADES gemeinsam mit BLOODYGRAVE & DIE LUST in der Villa Leipzig auftreten. Die schwarzePRESSE bat den Kopf der Band, Marcel Schneidenbach, um ein Gespräch in dem er selbsterklärend über SICKDOLL, Synthesizermusik und Zukunftspläne plauderte, aber lest selbst ...

SP: Wie lange gibt es SICKDOLL bereits?

MS: SICKDOLL entstand um 2004 herum. Ein Jahr später, gab es die erste offizielle Veröffentlichung bei Kernkrach. Auf der fleischfarbigen 7“ Compilation „2 Hemden 2 Hosen Vol.5“; zusammen mit A.W.O.L., ROSS OHNE REITER und RASPUTEEN. Zu der Zeit gab es in Deutschland nur eine Hand voll Bands, die diese Musik noch fabriziert haben, bevor der große Hype in den letzten Jahren los ging.

 

SP: Wie bist du zum Musik machen gekommen?

MS: Ich mache schon mein ganzes Leben lang Musik. Angefangen habe ich als kleines Kind, mit Klanghölzern und Glockenspiel. Später lernte ich E-Orgel an einer Musikschule, nachdem ich keine Lust mehr auf Gitarre hatte. Allerdings hat mein Orgellehrer erst nach Jahren gemerkt, dass ich aus dem Gedächtnis spielte und nur auf die Notenblätter schaute, weil es von mir verlangt wurde. Noten waren mir zu mühselig und ich fand es so einfacher und konnte mich besser auf die Feinheiten konzentrieren.

Man hat mich einmal darauf aufmerksam gemacht, dass leichte klassische Elemente, selbst bei den minimalsten Stücken, auftreten. Wenn ich darüber nachdenke, stimmt das, ohne, dass ich das jemals beabsichtigt habe. Klassische Musik war für mich schon in Kinderjahren immer präsent. Damals mochte ich besonders die heiteren Komponisten wie Wagner, Händel, Bartholdy und nicht zu vergessen die Ramones.

Auch heute wirke ich noch in unterschiedlichen Projekten mit.

 

SP: Was inspiriert dich beim Songwriting?

MS: Das Leben. Ich habe bisher ein sehr bewegtes Leben gehabt, in dem sehr viel passiert ist und immer noch passiert. Ich mag es, Situationen aus meinem Leben in Metaphern zu verpacken. Leider fehlinterpretieren einige Leute diese Metaphern und werfen mir Bitterkeit vor, was ich so deute, dass in unserer schnelllebigen Zeit, einfach kein Drang oder keine Zeit da ist, um sich wirklich Gedanken zu machen. Deswegen werfe ich dies niemandem vor.

Für mich gibt es nichts Schlimmeres als Bands, die nichts zu erzählen haben, aber die es trotzdem schaffen, durch Elemente wie z.B. einen durchgängigen Beat, Menschen zu begeistern. Diese Musik mag vielleicht der Popularität dienen, sagt aber nicht das Geringste aus und ist künstlerisch wertlos.

Das bedeutet: wenn ich nichts mehr zu erzählen habe, werde ich aufhören Musik zu machen. Wie es ausschaut, wird dies aber niemals passieren.

Nicht nur Momente inspirieren mich, sondern auch Töne, mit denen ich mich stundenlang beschäftigen kann. Es gibt so viele Möglichkeiten Töne zu erzeugen und zu verzerren.

 

SP: Hat der Name „SICKDOLL“ eine bestimmte Bedeutung für Dich?

MS: Der Ausdruck meiner krankhaften, verzweifelten Seele, die in der Dunkelheit meiner Gedanken schwelgt und sich an den Schmerzen der Sinnesqualen labt.. liegt definitiv nicht in der Bedeutung. Es ist viel einfacher gestrickt: Ein Freund von mir, den ich eine Zeit lang aufgenommen habe, hat das Lied, welches im Englischen „The Sick Doll“ heißt (von Tchaikovsky), den ganzen Tag gepfiffen und ging mir damit auf gut Deutsch, richtig auf den Sack.

Dieses Lied brannte sich mir also tief in das Gehirn ein und ich beschloss den Titel, dieser Komposition, als Projektnamen zu verwenden.

Heute erinnert mich dieser Name an die schönen Zeiten mit dem alten Freundeskreis, im fernen Münsterland, wo alles begann.

 

SP: SICKDOLL war zu Beginn ein Ein-Mann Projekt, bis Du Alexandra mit ins Boot nahmst. Es entstanden „SICKDOLL&THE NUCLEAR SHADES“. Wie kam dies zustande?

MS: Ich wollte Veränderung und mehr Möglichkeiten. Da ich der schlechteste Gitarrist der Welt bin, brauchte ich also jemanden, der das ausgleichen kann. So kam Alexandra ins Boot und zog sich die Rettungsweste an. Leider fiel sie auf halber Strecke über Bord und landete auf einer, von Schafen, bevölkerten Insel, auf der die Männer Röcke tragen und sich gegenseitig mit Baumstämmen bewerfen.

 

SP: Wann stieß Ilija dazu?

MS: Keine Ahnung, der war auf einmal da. Die erste Begegnung war Ende 2010 im Duncker in Berlin. Er trug einen weißen Smoking und hatte eine dreckige Gitarre. Das reichte mir vollkommen.

 

SP: Im Jahr 2006 hast Du eine EP „Hertz-Schrittmacher / Institut Zur Freundlichen Nutzung Von Kernkrach / Hertz 012“ veröffentlicht. War das die bisher einzige Veröffentlichung?

MS: Absolut nicht. Es kamen noch etliche Veröffentlichungen auf Vinyl und CD.
Vor der „SICKDOLL 7“, gab es ja den genannten „2 Hemden 2 Hosen“-Sampler. Auch eine LP wurde bei Kernkrach veröffentlicht. Zudem waren wir/ich auch auf zahllosen Compilations vertreten wie Minimal Baby, Bunte B-Züge, Darkness Before Dawn, Monosynth, Smoke and Spotlight, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

 

SP: Ihr habt schon einige Konzerte absolviert. Wie waren die Resonanzen in den letzten Jahren?
Wie reagieren die Leute auf eure Musik? Glaubst Du, dass es heutzutage schwieriger ist mit Synthesizer-Musik zu überleben, als noch vor ein paar Jahren?

MS: Die Menschen reagieren total unterschiedlich auf unsere Musik. Es ist schwierig, sich auf uns einzulassen, denke ich. Wir sind ein wenig anders, als die anderen Bands; soundtechnisch und inhaltlich, ohne dass ich das irgendwie wertend meine. Vermeidung von beliebten Elementen und Klischees, ist mir wichtig. Das geht der Masse tierisch auf den Wecker bzw. fällt es ihnen schwer, sich darin zurecht zu finden. Andererseits haben wir eine internationale, eingeschworene Hörergemeinschaft, die gerade diese Dinge an uns schätzt.

Ich werde dies auch nicht ändern, ich fühle mich dazu verpflichtet, es weiter so durchzuziehen. Mir reicht es, wenn es bleibt, wie es ist.

Was ich mir wünschen würde, ist mehr Kompetenz bei unseren Liveshows. Der letzte Soundtechniker hat z.B. seine eigenen Geräte falsch verkabelt (und nach zwei Stunden immer noch nicht gemerkt), was ich dann richten musste und hat es dann live auch nicht hin bekommen. Das Pech hatten wir jetzt schon zweimal hintereinander und so macht es dann auch keinen Spaß, was das Publikum dann auch merkt und die ganze Planung umsonst ist. Der dritte Mensch wird das dann also ausbaden müssen, denn noch einmal bleibe ich nicht höflich ;-).

Ob es schwieriger ist, mit Synthesizer-Musik zu überleben? NEIN! Absolut nicht. Wie gesagt, in den letzten Jahren ist der Boom im Bereich Minimal Wave, Synth Wave und Synth Punk quasi explodiert, besonders hier in Berlin. Eine Menge Partys und junge Bands sind aus dem Boden geschossen und betonen noch einmal die Themen der 80er (freuen sich in ihren Texten, dass sie nun den Unterschied zwischen Mono und Stereo kennen, oder spielen den Song „Kaltes klares Wasser“ rückwärts bzw. setzen einfach nur andere Wörter ein - das soll nicht heißen, dass ich alle schlecht finde, denn unter dem Geröll sind auch ein paar wundervolle Diamanten). Die junge Generation an Zuhörern ist begeistert, da sie meist nichts anderes kennt, als diese neuen Bands und würde wahrscheinlich brechen, wenn sie heute die Ursprünge dieser Musik erforschen würde. Instantsatire.

 

SP: Wie sehen eure Pläne für 2012 aus? Was erwartet eure Fans?

MS: Ohne es böse zu meinen: ich mag das Wort „Fan“ nicht. Es hat immer so etwas Teeniebehaftetes an sich und ich kann niemanden ernst nehmen, der sich selbst Fan von irgendetwas nennt.
Unsere Zuhörer werden sich vielleicht daran erfreuen können, dass wir an einem neuen Album arbeiten werden, oder zumindest an einer 7“-EP und wir werden viel in Europa unterwegs sein.
Ich habe mir auch sound-technisch vorgenommen, wieder etwas mehr back to my own roots zu gehen und nur ein paar Elemente, unserer neueren Exkursionen mit einzupacken.
Auch habe ich vor, in Berlin ein nettes Konzert zusammen mit den sympathischen Griechen „Human Puppets“ zu veranstalten, da ich diese Kapelle sehr schätze.
Wenn ich nicht nebenbei noch viele andere Projekte hätte (z.B. mein nächster philosophischer Kurzfilm im Herbst), würde ich auch noch viel mehr machen können und Ideen gehen mir niemals aus, aber Zeit ist eine Rabenmutter.

 

Das Interview führte Nadja Koitzsch- April 2012

Read 10099 times Last modified on 06/08/2013

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