Interview mit Creep Carnival

On: 06/07/2012

Neue Musikprojekte schießen täglich wie Pilze aus dem Boden, doch lassen die meisten von ihnen qualitativ zu wünschen übrig. Dass dies auch anders geht zeigt Niko Brückner, seines Zeichens Schlagzeuger bei The Cold, mit seinem neuen Soloprojekt Creep Carnival (www.creepcarnival.com). Schon die 1. Demo "Into Infinity" klingt so ausgereift, dass man gespannt sein kann, was da noch folgen mag. Grund genug Niko mal ein paar Fragen zu stellen:

sP: Du bist ja bereits Drummer bei The Cold. Was war für dich ausschlaggebend mit Creep Carnival ein zusätzliches Soloprojekt zu starten?

Niko: Bevor ich zu The Cold stieß, war ich in den Bands in denen ich vorher Gitarrist war oft ziemlich unglücklich - ganz zu schweigen vom fehlenden Erfolg. Nach einem Jahr der Gitarren-Abstinenz vermisste ich es doch sehr und wollte nun wieder in die sechs Saiten greifen. Mut gegeben hat mir da immer Uwe, weil die coole Socke sich nie von irgendwelchen Steinen im Weg hat abbringen lassen. So habe ich es mir dann zur Aufgabe gemacht, nun alles selbst zu machen, da man sich, zumindest nach meinen Erfahrungen, auf niemanden verlassen kann.

sP: Als Einflüsse benennst du u.a. Nick Cave and the Bad Seeds, Radiohead und The Smiths. Was ist für dich das besondere an alternativer Musik aus den 80gern?

Niko: Gerade an diesen Bands fasziniert mich deren wirkliche (!) Unabhängigkeit und Statements sämtlicher Konformen gegenüber, die ich heutzutage so sehr im Gothic-Dasein vermisse. Da war alles noch viel roher und ehrlicher. Nicht, dass ich jetzt klinge wie ein wehleidiger Nostalgiker. Ich bin nicht mal ein Kind der 80er ...

sP: Wenn man die Musik von heute mit der der 80ger Jahre vergleicht, was hat sich deiner Meinung verändert?

Niko: Das ist schwer zu sagen. Die Stile, die sich innerhalb der Dekaden logischerweise immer verändern, lassen wir da mal außen vor. Allerdings habe ich das Gefühl, dass die Musik, die seit den 90ern dem Mainstream eingeflößt wird, wenig an Intention und Kreativität hat. Ganz zu schweigen von dem Kram, der heute so gehypt wird.

sP:  Bei The Cold bist du in einer Band die typischen Goth Rock spielt. Bei Creep Carnival fällt dem Hörer als erstes auf, dass die Musik weitaus ruhiger gestaltet ist. Weg vom rockigen hin zum sentimentalen. Welche Unterschiede siehst du rein musikalisch noch bei beiden Projekten?

Niko: Musikalisch ist die Musik von The Cold irgendwo schon klar definiert, wobei ich bei meiner eigenen Musik es unheimlich schwer finde, ein Genre zu nennen, in das sie vllt. passen könnte. Bei The Cold liebe ich diesen 80er-Vibe (meine Güte, der Anglizismus nimmt Überhand), als wäre die Zeit stehen geblieben und alles ist für einen Moment mal frei von sozial inkompatiblen Menschen, die sich hinter ihren Facebook-Profilen verstecken.

Da ich aber auf der anderen Seite bei The Cold bisher an noch keinem Songmaterial mitgearbeitet habe (ich spiele erst seit Jan. 2011 mit), lebe ich bei Creep Carnival sämtliche kreativen Ergüsse aus, die nicht eine gewisse Erwartungshaltung des Hörers erfüllen soll/muss.

sP: Du gibst u.a. den Regisseur Wim Wenders als Inspiration für deine Musik an. Inwieweit beeinflussen seine Filme dein Schaffen?

Niko: Ich liebe diesen Mann einfach!
Ich würde lügen, wenn ich sagte, dass "der Himmel über Berlin" mich nicht von Grund auf in meinem Wesen verändert hat. Das ist natürlich nicht der einzige seiner Filme, der mich inspiriert(e). Es ist immer dieser menschliche Aspekt in seinen Filmen, die ich heutzutage so im Miteinander vermisse. Als das Kind Kind war...

sP:  Ein Jahrmarkt (engl. Carneval) ist in der Regel ein bunter Ort der Freude. Spätestens seit den Gothic Novels wissen wir, dass dort auch das Grauen lauern kann wenn abends die Lichter ausgehen. Welche Bilder hattest du im Kopf bzw. was war der Anlass dein neues Projekt Creep Carnival zu nennen?

Niko: Als gebürtiger Mainzer ist hier um Rosenmontag natürlich immer Ausnahmezustand. Zu meinem Pech kann ich mit Fastnacht auch überhaupt nichts anfangen. Das liegt zum großen Teil daran, dass die Menschen über die 5. Jahreszeit jeglichen Anstand verlieren, schon um 12h besoffen sind, Leute bestehlen, Schlägereien anfangen. Da muss ich nicht auf den Abend warten, wie du es so schön sagst. Ich dachte mir, dass dieser Name meinem Projekt gute Dienste erweisen wird und die gewisse, unterschwellige sozialkritische Meinung auch nicht fehlt.

sP:  Die Demo ist fertig und macht einen sehr professionellen und ausgereiften Eindruck. Wann kann der geneigte Hörer mit dem ersten Album rechnen?

Niko: Alles wurde so weit aufgehübscht, wie es mir nur möglich ist/war; schön, dass es gefällt! Allerdings muss ich jeden interessierten Hörer hier erst mal enttäuschen, da ich mir den Aufwand eines Albums nicht in Eigenregie machen werde und mich erst mal zur passenden Zeit um einen Plattendeal kümmern werde.

Allerdings soll es ja nicht ganz um mich verstummen, denn in nicht all zu ferner Zeit wird es das ein, oder andere professionelle Video von mir / über mich zu bestaunen geben!

sP: Gibt es schon konkrete Tourpläne für Creep Carnival?

Niko: Tja, da hast du den wunden Punkt getroffen. Den Finger in die Wunde gesteckt, die du vorher mit Salz bestreut hast...

Da sich die Musikersuche für meine Livetruppe als viel schwieriger erweist, als ich mir das vorgestellt habe, wird sich das mit den Konzerten wohl erst noch mal etwas verschieben, bzw. die ersten paar Clubgigs werden wohl auf Ein-Mann-Akustikversionen hinauslaufen. Aber es darf sich jeder interessierte Musiker gerne bei mir melden!

 

Interview/Text: Sascha R.

Foto: Minya Backenköhler

Website/Hörproben: www.creepcarnival.com

 

Read 5974 times Last modified on 07/11/2012

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